Page 12 - Wangerland Flaschenpost 1 2024
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#LAND UND LEUTE







        Der Wald
                          gleich hinterm Deich









        Wald am Meer – was an der Ostsee nichts Ungewöhnliches ist, ist es an der Nordsee sehr wohl.
        In Hooksiel kann man gleich hinter dem Deich in den Wald spazieren und Abkühlung im Schat-
        ten der Bäume finden.

           wischen dem Urlaubsörtchen Hook-                                  rung in Hannover  viel zu  teuer gewe-
        Zsiel und der Nordsee liegt mehr als                                 sen. Man wandte sich also an das nächst
        nur Felder und Strand.  Auf etwa 170                                 zuständige Forstamt in Neuenburg. Und
        Hektar erstreckt sich gleich hinter dem                              wurde mit ihm handelseinig: 170 Hektar
        Deich ein dichter Wald. Kiefern, Eichen,                             Wald sollten innerhalb von fünf Jahren
        Pappeln und Erlen wachsen hier, es ist                               zwischen Hooksiel und dem Industrie-
        schattig und immer etwas kühler in den                               gebiet aufgeforstet werden, für insge-
        heißen Monaten. Ein Wanderweg zieht                                  samt 1,5 Millionen D-Mark. Und so ist es
        sich hindurch: Spaziergänger:innen und                               dann auch geschehen; aber ganz so ein-
        Radfahrer:innen sind hier unterwegs,                                 fach war das natürlich auch nicht.
        Jogger:innen und Menschen mit Hund.
                                                                             Das Vorgehen
        Wald am Meer ist an der Nordseeküs-  Berndt Kriebitzsch              „Als  wir angefangen haben,  war hier
        te  eher  ungewöhnlich.  Üblicherweise                               nichts, gar nichts“, sagt Kriebitzsch, „hier
        erstrecken sich hier kilometerweit nur   Förster im Ruhestand        war nur ein bisschen Grün und es stan-
        Wiesen und Felder hinter dem Deich,                                  den von den Versuchsflächen der Uni-
        unterbrochen  nur  von  schnurgeraden                                versität noch ein paar einzelne Bäume,
        Entwässerungsgräben,  vereinzelten  entlang der Küste bis kurz vor Hooksiel   die  übrig  geblieben  waren.“  Das  war
        krummen Bäumen und großen Höfen.   mitsamt seinem Badestrand und dem   Anfang der 1980er  Jahre. Dass kaum
        Nicht so in Hooksiel: „Welche Gemein-  Yachthafen. Aber Urlauben mit Blick auf   etwas übrig geblieben  war,  von den
        de auf der ostfriesischen Halbinsel kann   Kohlekraftwerk und Chemieindustrie?   ersten  Aufforstungen lag auch daran,
        sich schon rühmen, einen so großen   Die Gemeinde Wangerland war damals   dass der sogenannte Sichtschutzdeich
        Wald direkt hinterm Deich zu haben?“,   ganz und gar nicht begeistert.  des Waldes auf Drängen der Gemeinde
        fragt Berndt Kriebitzsch bei einer Wald-                             Wangerland von sieben auf 13 Meter er-
        begehung nicht ohne Stolz.  Wohlge-  Beim Gang durch den Wald erzählt Krie-  höht worden war.
        merkt: Dieser  Wald beginnt keine 100   bitzsch von der Entstehungsgeschichte.
        Meter hinter dem Deich. Kriebitzsch   „Der  Bürgermeister vom  Wangerland   Hintergrund ist die terrassenartige An-
        weiß alles  über diesen Forst, denn er   wandte sich damals an das Land Nie-  lage des  Waldes, der über mehrere
        hat ihn selbst gepflanzt. Mehr als zwei   dersachsen  und  sagte:  „Wenn  ihr  so   Höhenstufen hinweg entstehen sollte.
        Jahrzehnte war er Leiter des Forstamtes   viel Geld für das Industriegebiet in   In erster Linie ging es um eine Art Sicht-
        Neuenburg, heute ist er im Ruhestand.   Wilhelmshaven ausgebt, müsst ihr auch   schutz zwischen Urlaubergebiet und In-
        Durch den Hooksieler Wald läuft er aber   etwas für uns  tun‘“. Man brauche eine   dustrieanlage. Der Wald sollte also nicht
        immer noch gern, er fühlt sich ihm be-  Pufferzone zwischen Industrie und Er-  einfach ebenerdig angepflanzt werden,
        sonders verbunden: „Ich habe ihn auf-  holung. So sei die Idee entstanden, die   sondern in mehreren ansteigenden Stu-
        geforstet, er ist sozusagen mein Kind.“  Fläche zwischen Stadtgrenze Wilhelms-  fen. Die letzte und höchste Stufe war der
                                           haven und dem Hooksmeer zu begrü-  Gemeinde allerdings im ersten Entwurf
        Wie die Idee entstand              nen.                              nicht hoch genug und musste verdop-
        Der  Wald entstand  vor gut 40  Jahren                               pelt werden. Das Material dafür wurde
        als eine  Art Pufferzone zwischen dem   Zunächst sei die Universität Bochum da-  aus dem  Jadebusen  genommen und
        Urlauberort in der Gemeinde Wanger-  mit beauftragt  worden, berichtet der   das war natürlich mit Salzwasser versetzt.
        land und den neuen Industrieansiedlun-  Förster.  Deren Wissenschaftler:innen   Den Rest erledigte die Schwerkraft:
        gen der benachbarten Stadt Wilhelms-  hätten auch zwei  Waldversuchsflächen   „Das Wasser lief zurück ins Hooksmeer
        haven. Dieses Industriegebiet zieht sich   angelegt und das ganze Vorhaben für   und alles, was hier grün war und blühte
        auf dem eigens in den 1970ern aufge-  fünf Millionen D-Mark durchziehen wol-  und wuchs, ist durch das Salzwasser ab-
        spülten sogenannten Voslapper Groden   len. Das wiederum sei der Landesregie-  gestorben“, so Kriebitzsch.



     12  Flaschenpost — Gästezeitung 04/23
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